© Jens Endler
Aktuelle Meldung des PRO BAHN Landesverbandes Berlin-Brandenburg e.V.
24.05.2023
Wie gelingt uns die Verkehrswende?
Wie gelingt uns die Verkehrswende?
Darüber diskutierte der Managerkreis Niedersachsen-Bremen der Friedrich-Ebert-Stiftung am Montag, 22. Mai 2023 in Hannover. Für uns als Fahrgastverband PRO BAHN ergeben sich interessante Aufschlüsse und Impulse.
Hier folgt das Protokoll unseres Mitglieds Julian Krischan:
- Die Verkehrswende gelingt nur, wenn sie aktiv vorangetrieben wird.
Um die ehrgeizige Messlatte gesetzter Klimaschutzziele zu erreichen, muss der jährliche nationale CO2-Ausstoß von aktuell 148 Mio. t auf 84 Mio. t im Jahr 2030 verringert werden. Das bedeutet, dass jährlich 7 Mio t. eingespart werden müssten. Momentan wird allerdings nur 0,5 Mio. t. pro Jahr eingespart. Damit besteht erheblicher Nachholbedarf, vor allem, was den Verkehrsbereich betrifft: 29% aller CO2 Emissionen insgesamt gehen auf den Autoverkehr zurück. Hier könnten schnell große Wirkungen erzielt werden: Ein verbindliches Tempolimit von 130 km/h auf allen deutschen Autobahnen würde zum Beispiel sofort zu einer Einsparung von 2 Mio. t pro Jahr führen.
„Der Verkehrssektor ist ein Bereich, in dem die Früchte für weitere CO2-Einsparungen tief hängen.“
Stephan Meuser, Landesbüroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung Niedersachsen
- Die Bundesregierung kann die Vehemenz, die Verkehrswende voranzubringen, weiter steigern. Das Konzept einer ressortspezifischen CO2-Budgetierung einzelner Bundesministerien ist aktuell in den Hintergrund gerückt. Nach diesem Konzept aus der Zeit vor der Coronapandemie sollen Haushaltszuweisungen an die Bundesministerien vom Erreichen bestimmter Anteile an CO2-Einsparungen in ihren Ressortzuständigkeiten abhängig gemacht werden.
- Ein Ausbau des Schienenverkehrs und des ÖPNV trägt dazu bei, Klimaschutzziele zu erreichen. Leider besteht in der Finanzierung durch den Bund weiterhin eine klare Asymmetrie zwischen der Finanzierung des Straßenverkehrs und der des öffentlichen Verkehrs. Während für den Straßenverkehr jährlich ca. 50 Mrd. Euro aufgewendet werden (und weitere 30 Mrd. Euro für Straßenausbauten in dieser Legislaturperiode im Gespräch sind), beläuft sich die Zuwendung für den öffentlichen Verkehr im Rahmen der Regionalisierungsmittel aktuell auf ca. 10 Mrd. Euro jährlich. Die Erhöhung der Dynamisierung der Regionalisierungsmittel von 1,2% auf 3% und die zuletzt zusätzlich beschlossenen Mittel in Höhe von 1 Mrd. Euro können die Kostensteigerungen durch die Inflation im Verhältnis nicht ausreichend kompensieren.
- Nach einer Studie des VDV in Kooperation mit Roland Berger bräuchte es jährlich einen zusätzlichen Betrag von 11 bis 15 Mrd. Euro vom Bund, um eine signifikante Steigerung des Angebots im öffentlichen Verkehr (d.h. Angebotsausbau und Verdoppelung der Fahrgastzahlen) zu erreichen – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Verhältnis im Modal Split und die Verkehrswende insgesamt. Momentan besteht eine weitere Herausforderung darin, dass die Regionalisierungsmittel des Bundes aus dem Steueraufkommen aus der Mineralölsteuer finanziert werden. Dieses Aufkommen wird durch zunehmende Elektromobilität zurückgehen – schon jetzt sind in Deutschland 1 Million Elektroautos zugelassen. Ein neues Finanzierungsinstrument ist Chance und Herausforderung zugleich. Hier sollten neue Wege mit „Push & Pull“-Effekten beschritten werden, wie z.B. eine Neuwagensteuer (ähnlich wie im Ausland) oder eine sozialverträgliche PKW-Maut (allein die LKW-Maut beläuft sich aktuell auf ein jährliches Einkommensaufkommen von ca. 7,5 Mrd. Euro).
- Eine große Chance im Eisenbahnverkehr wird in der Digitalisierung gesehen. Durch ETCS kann die Kapazität auf dem vorhandenen Schienennetz deutlich gesteigert werden. Hierin wird eine große Chance gesehen, auch wenn der einmalige ETCS-„Roll out“ in der Investitionsfinanzierung besonders kostspielig ist. Priorität sollte diesem eingeräumt werden im Gegensatz zu einem 300 km/h Schnellbahnnetz, das erst in Jahrzehnten betriebsbereit wäre. Durch den „Roll out“ von ETCS können schrittweise erhebliche Steigerungen in der Kapazität des Schienenverkehrsnetzes erzielt werden – ohne viel zu lange warten zu müssen.
- Wichtig ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs vor Ort. Was nützt das beste tarifliche Angebot (Beispiel Deutschlandticket), wenn keine ÖPNV-Anbindung vor Ort besteht? Positiv auf Seiten des Bundes ist zu vermerken, dass die GVFG-Mittel ab 2025 von 1 Mrd. auf 2 Mrd. Euro erhöht werden und ausschließlich dem ÖPNV zugutekommen sollen.
- Ein wichtiges Mittel, um Fahrgäste zur Nutzung des öffentlichen Verkehr zu bewegen, ist der Ausbau von Eisenbahnstrecken mit gleichzeitig Streckenreaktivierungen. Im Norden von Hannover hat das Land Niedersachsen ein großes Netz an Strecken gekauft, das für die Nutzung im Güter-, als auch im Personenschienenverkehr ertüchtigt wird.
- Für den Ausbau des ÖPNV braucht es ein klares Bekenntnis und passende, effektive Zuständigkeiten. Im Ballungsraum in und um Hannover mit 1,2 Mio. Einwohnern ist die Region Hannover ein Paradebeispiel für guten ÖPNV-Ausbau – neben dem Ballungsraum Karlsruhe und Umgebung sieht man hier das Angebot im ÖPNV als bundesweit bestes an. Hier – im von Nachfragestruktur bzw. -potenzial untersetzen Ballungsraum – haben Kommunen und Landkreise ihre ÖPNV-Zuständigkeit der Regionalverwaltung übertragen. So entsteht in der Region Hannover über Gebietsgrenzen hinweg ein einheitliches Nahverkehrsangebot. Schwierig würde es für Kommunen, nicht am gemeinsamen Strang für mehr und besseren ÖPNV mitzuziehen. Ein Beispiel für das produktive gemeinsame ÖPNV-Bekenntnis ist Sprinti – aktuell europaweit größtes „On Demand“ Angebot. In allen Kommunen um Hannover herum – den 12 Regionskommunen – wird dieses Angebot im Lauf des Jahres eingeführt. Mit kleinen Fahrzeugen auf Abruf gelangen Fahrgäste zur nächsten Schienenanbindung. Ein solches Angebot ist ein Beispiel für eine wohnortnahe Feinerschließung durch den ÖPNV, die im Fall von „Sprinti“ vor einer Bewährungsprobe steht: Auch nach dem Auslaufen der Förderung des Bundes in drei Jahren soll das Angebot ohne große Brüche weitergeführt werden.
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